Luftaufnahme vom Kapellplatz Altötting.

Der Bürgermeister Blog

Zurück zur Übersicht

Donnerstag, 17. November 2022

Geld regiert die Welt... und den Fußball

Liebe Leserinnen und Leser,

wie viel ist es Ihnen wert, das Geld? Würden Sie für 180 Mio. Euro einer Werbekampagne über 10 Jahre zustimmen, welche die WM-Vergabe in Katar für das Jahr 2022 unterstützt? Würden Sie über die schlechten Arbeitsbedingungen, die lebensunwürdigen Standards, die Menschenrechtsverletzungen, die Frauenfeindlichkeit und über die Tatsache, dass Katar kein „Fußballland“ mit „Fußballkultur“ ist, hinwegsehen? Würden Sie für 180 Mio. Euro Ihre Moral und Ihr Prestige „verkaufen“? Ich definitiv nicht.

Bereits kurz nach der WM-Vergabe 2010 waren Beobachter überrascht über die Wahl der Mitglieder des Exekutive-Komitees des Verbandes und erste Gerüchte und Skepsis über Schmiergelder und Korruption wurden laut und später auch bestätigt. Auch die Kritik mit Blick auf die Umweltaspekte, da das Turnier aufgrund des dortigen Klimas in den Winter verlegt werden musste, flachte nicht ab. Ein sehr großer Vorwurf, mit dem das Organisationsteam und die katarische Regierung tagtäglich kämpfen müssen, ist die Menschenrechtslage und die damit verbundene Situation der Gastarbeiter. Unmenschliche Arbeitsbedingungen, die leider oft zum Tod führen, sind keine unbekannten Anschuldigungen. Es gibt bereits mehr als 6.500 nachweislich bestätigte Todesfälle, welche seit der WM-Vergabe an Gastarbeiterinnen und Gastarbeitern bekannt sind. Auch Vorwürfe von Angehörigen der LGBTQ-Community, dass diese inhaftiert und misshandelt worden seien, werden nicht weniger.

Es erscheint schon fast unverantwortlich, an diesem Ereignis teilzuhaben. So viele Gebote der sportlichen und politischen Fairness wurden verletzt, missachtet und gar schon ignoriert. Das Emirat hat bisher 150 Milliarden Euro in das Turnier investiert. Sieben neue Stadien wurden „aus dem Boden gestampft“ und doch wirbt FIFA-Präsident Gianni Infantino damit, dass es die „beste WM aller Zeiten“ wird – trotz seines Wissens über die zahlreichen Beschuldigungen. Aber für „die da oben“, wie die Führungsetage der FIFA oft lieblich bezeichnet wird, steht nur der Kommerz, das Ansehen und der Machtausbau im Vordergrund.

Klar ist, es ist die politischste WM aller Zeiten und es ist ein unwürdiges Turnier. Wie bei den Fußball-Weltmeisterschaften 2002 und 2010 wurde aktiv „Sportwashing“ betrieben. Eine große Veranstaltung lenkt den Blick auf das anstehende Sportereignis und nicht auf die schlechten Dinge, welche ich in diesem Blogeintrag zu einer Vielzahl aufgezählt habe. Vielleicht können wir ein Zeichen setzen, indem wir nicht tagelang unsere volle Aufmerksamkeit nur diesem Großereignis widmen. Natürlich ist das für die Hinterbliebenen der Toten, die Überlebenden der Inhaftierung und Misshandlung und allen politisch Erdrückten keine Wiedergutmachung, aber für mein Mitgefühl und meine Wahrnehmung ist es das Richtige.

Ich werde die sportlichen Erfolge der deutschen Nationalmannschaft in den sozialen Medien und die Berichterstattung im Fernsehen, Radio und den Zeitungen verfolgen. Da bin ich „zu fußballinteressiert“, um das gesamte Turnier vollständig zu boykottieren. Dennoch werde ich den weiteren Kommerz der Verantwortlichen nicht unterstützen. Besuchen Sie doch das nächste Spiel Ihres Dorf- oder Gemeindevereins und stecken Sie Ihre Energie und Begeisterung in die regionalen Geschehnisse. Die kleinen Vereine und deren Verantwortlichen werden es Ihnen danken.

Herzlichst
Ihr
 

Stephan Antwerpen
Erster Bürgermeister

Stadt Altötting, Geld regiert die Welt... und den Fußball