Liebe Leserinnen und Leser,
mindestens einmal jährlich hat der erste Bürgermeister in jeder Gemeinde eine Bürgerversammlung einzuberufen, um gemeindliche Angelegenheiten zu erörtern. In Altötting findet diese in der Regel im November statt, für den Ortsteil Raitenhart im März. In diesem Jahr hat sich die Kreisstadt aber zu einem zusätzlichen Termin entschieden – am 28. September lud sie zu einer außerordentlichen Bürgerversammlung ein. Anlass war ein Thema, das aktuell für breite Diskussionen sorgt: Der geplante Windpark im Staatsforst.
Kurz zum Genehmigungsprozess dieses Projekts: Das „Wind-an-Land-Gesetz“ des Bundes verpflichtet die Länder zur Ausweisung von Flächen für die Windenergienutzung. In Bayern sind dies mind. 1,1 % der Landesfläche bis Ende 2027 bzw. 1,8 % bis Ende 2032. Sollten diese Ziele verfehlt werden, hat das zur Folge, dass Windenergieanlagen im Außenbereich generell privilegiert zulässig werden und auch bayerische Mindestabstandsregeln (wie sie durch einen Bau des Windparks im Staatsforst gegeben sind) nicht mehr gelten. Die Ausweisung erfolgt u. a. auf der Ebene der Regionalplanung (Altötting bildet im Regionalen Planungsverband Südostoberbayern zusammen mit den Landkreisen Mühldorf, Traunstein, Rosenheim und Berchtesgadener Land die Region 18). Hier werden sogenannte „Vorrangflächen“ für Windenergie festgesetzt. Bauleitpläne der Stadt (Flächennutzungsplan und Bebauungspläne) dürfen der Regionalplanung bzw. den Vorranggebieten nicht widersprechen! Die Genehmigung der Windenergieanlagen erfolgt in einem immissionsschutzrechtlichen Verfahren über das Landratsamt. Die Stadt ist weder bei der Ausweisung der Vorrangflächen, noch im Genehmigungsverfahren Planungs- oder Genehmigungsbehörde.
Am 28. September informierten mehrere Referenten zum aktuellen Stand des Windparks. Dr. Peter von Zumbusch, Werkleiter der Wacker Chemie AG, betonte die große Bedeutung für die ansässige Industrie. So erzeugen die geplanten Windräder 10 % des von Wacker benötigten Stroms. Der Ausbau erneuerbarer Energien sei zwingend notwendig, um die Energiewende zu schaffen.
Dr. Heinz Utschig verwies als Forstbetriebsleiter der Bayerischen Staatsforsten Wasserburg am Inn auf die Wiederaufforstung. Diese müsse im Anschluss an den Bannwald erfolgen, außerdem könne der Bau des Windparks erst erfolgen, wenn das beauftragte Unternehmen Qair Deutschland GmbH geeignete Ausgleichsflächen beschaffen habe.
Heike von der Heyden, Geschäftsführerin Qair Deutschland, und Patrick Ecker, Leiter Projektentwicklung Wind bei Qair, stellten schließlich im Rahmen einer Präsentation die Eckdaten des Projektes vor: Geplant sind 40 Windräder mit einer Stromproduktion von 550 Mio. kWh pro Jahr, was dem Verbrauch von 150.000 Durchschnittshaushalten pro Jahr entspricht. Dadurch können 400.000 Tonnen CO2-Äquivalente eingespart werden. Im nächsten Schritt finden Windmessungen statt, ehe nach naturschutzfachlichen Untersuchungen und weiteren Genehmigungsverfahren der Windpark im Idealfall 2027 in Betrieb genommen werden soll.
Im Anschluss an die Redebeiträge hatten die Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Viele äußerten Bedenken, die die mit dem Bau verbundene Rodung betrafen. Auch ich persönlich kann die Sorgen nachvollziehen und nehme diese sehr ernst. Gerade um den Altöttingern ein Rederecht zu ermöglichen, hatte sich die Kreisstadt ja dazu entschieden, den Windpark in Form einer Bürgerversammlung zu behandeln. Als Bürgermeister erachte ich es als meine Pflicht, im Sinne aller Bürgerinnen und Bürger zu denken, zu diskutieren, abzuwägen und dann zu entscheiden. Ja, der geplante Windpark ist ein Eingriff in die Natur. Er ermöglicht uns jedoch die Abkehr von fossilen Energieträgern – angesichts der Energiekrise und vor allem der Klimakrise umso wichtiger.
Herzlichst
Ihr
Stephan Antwerpen
Erster Bürgermeister