Ein Mahnmal gegen das Vergessen

Ein Mahnmal gegen das Vergessen ist das heute am Eisengreinplatz (unmittelbar neben dem Kapellplatz in Altötting) stehende Denkmal des hier fast vergessenen Künstlers Kurt Porzky (1917-2000). Er entstammte einer Familie, in der die Kunst, vor allem die musische, eine große Rolle spielte – nahe Verwandte waren an Musikkonservatorien in Berlin als Dozenten tätig. Vor allem in der zweiten Hälfte seiner künstlerischen Schaffensperiode entstanden zahlreiche Werke im sakralen Bereich. Auftragsorte waren neben Altötting u. a. Regensburg, Straubing, München und Berlin.

Mahnmal oder Gedenkstätte

Im Verlauf des Jahres 1955 nahmen das Vorhaben und die Pläne, in Altötting eine Gedenkstätte für die Vermissten des II. Weltkriegs aufzustellen, immer konkretere Formen an, auch dank der Initiative des damaligen Bürgermeisters Dr. Balthasar Stumfall. Dazu wurden von der Stadt auch die Vertreter des Heimkehrerverbandes, des Verbands der Kriegsversehrten (VdK) und des Krieger- und Veteranenvereins sowie die Vertreter der Landsmannschaften mitherangezogen. Die Vorschläge über das Aussehen bzw. die Form dieser Stätte reichten von einer Tafel mit den Namen der Vermissten über einen Findlingsstein bis hin zu einer Skulptur. Auch für den Aufstellungsort standen mehrere Optionen im Raum – in den Grünanlagen des Landratsamtes, welches sich damals noch am Kapellplatz befand oder in der Vorhalle zum romanischen Portal der Stiftspfarrkirche bis dann letztlich der Tillyplatz als Aufstellungsort den Zuschlag bekam.

Ein Mahnmal gegen das Vergessen, Gedenkstätte in Altötting.

Bei der favorisierten Variante der Skulptur bzw. für deren Ausgestaltung zog man von Anbeginn an den in Altötting lebenden Künstler Kurt Porzky heran. Bereits 1955 schuf er ein Modell in Form einer aus dem Stein im Linksprofil herausgearbeiteten zeitlosen Engelsgestalt, die eine Opferschale in hocherhobenen Händen hält, welches breite Zustimmung bei den beteiligten Verbänden und Personen fand. Ende März 1956 war es beschlossene Sache, am Tillyplatz das Vermisstendenkmal – „Engel mit Opferschale“ als Halbrelief – aufzustellen und dies anlässlich der Bayerischen Kriegerwallfahrt am 10. Juni 1956 einzuweihen. Nach Stellungnahme des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege, welches man in die endgültige Entscheidungsfindung eingebunden sehen wollte, wurde das Modell von Porzky von ihm selbst umgestaltet.
Es fand ebenfalls allgemeine und breite Zustimmung. Anstelle des Hochreliefs wurde nun eine etwa 3 m hohe und 50 mal 60 cm starke Stele, bestehend aus zwei Blöcken á 25 Zentner aus Muschelkalk in Auftrag gegeben. Auf der Vorderseite dominiert eine sitzende Christusfigur mit Dornenkrone, daneben zwei Textfelder (Flachrelief).

Auf der Rückseite finden sich die Leidenswerkzeuge (auch Passionswerkzeuge, lat.:  arma Christi). „Die Ausführung der Bildhauerarbeit ist nicht ausgesprochen modern, doch zeitverbunden und drückt in den knappen markanten Linien all das aus, was uns Menschen angesichts des Leidens Christus (Christi: Anm. d. Redaktion) und des Leidens der Kriegsgefangenen bewegt“, wie es in der Zeitung vom 30./31. Mai 1956 heißt. Bereits wenige Monate nach der Aufstellung der Stele für die 161 im Zweiten Weltkrieg vermissten Altöttinger wurde diese gewissermaßen zum „Stein des Anstoßes“. „Die Gründe für die Ablehnung seitens der Bevölkerung lagen“, wie Stadtheimatpfleger Manfred Lerch ausführt, „zum einen in der Standortwahl, zum anderen im fehlenden Kunstverständnis für das abstrakt gehaltene Flachrelief der Stele“. Im November 1957 bereits folgte dann die Umsetzung des Mahnmals auf den Eisengreinplatz, wo es bis heute eher ein Schattendasein fristet.

Ein Mahnmal gegen das Vergessen, Gedenkstätte in Altötting.

Der Künstler

Wer war eigentlich dieser damals in Altötting lebende Künstler Kurt Porzky, der sich schon in seinen Anfangsjahren einen gewissen Namen weit über Altötting hinaus erworben hatte und der vielen hier heute nicht mehr geläufig ist. 1917 in Neu-Ulm geboren, stammte er aus einer Familie, in der man der Kunst, allen voran der Musik, sehr zugeneigt war. Sein Vater, Josef Porzky, schwer gezeichnet durch die Folgen des I. Weltkrieges, war sehr bewandert in der Musik, beherrschte zahlreiche Instrumente. Sein Onkel, Martin Porzky, ein gebürtiger Altöttinger, war Diplom-Musiklehrer und als solches ab 1924 am Stern’schen Konservatorium in Berlin als Lehrer für Klavier beschäftigt. Von 1953 bis zu seinem Tod 1958 war er dann Lehrer am dortigen Städtischen Konservatorium.

Seine Kindheit verbrachte Kurt Porzky in Altötting und Pfarrkirchen. Schon da und vor allem während seiner Schulzeit fiel seine Neigung zur Malerei auf, die dann auch seinen weiteren Ausbildungsweg bestimmte. Das Rüstzeug erhielt er bei Alois Schlee, Meister der Kirchenmalerei in Altötting, wo er die Ausbildung dank seiner großen Begabung vorzeitig abschließen konnte.  Es folgten, unterbrochen durch den Militärdienst und später die Einberufung zum Kriegsdienst, jeweils vier Semester an der Freien Akademie in Mannheim (Prof. Trummer) und dann an der Akademie in München (Prof. Teutzsch). Nach Kriegsende und Gefangenschaft bestätigte ihm der Berufsverband Bildender Künstler bereits am 2. November 1945 die Qualifikation zum freischaffenden Künstler. Die folgenden Jahrzehnte waren geprägt von einem immensen Schaffen ausgelöst durch eine große Anzahl an Aufträgen.

Ein Mahnmal gegen das Vergessen, Gedenkstätte in Altötting.

Dadurch hatte er nur gelegentlich Zeit, sein Werk in Ausstellungen zu präsentieren. Vorwiegend in der Altöttinger Zeit, am Beginn seiner künstlerischen Laufbahn, initiierte und gründete er u. a. die Burghauser Künstlergruppe „Die Burg“ mit. Gelegentlich war er auch bei anderen Ausstellungen im Raum Altötting mit seinen Exponaten vertreten. Sein Lebensweg führte ihn weg von Altötting, nach Kirchweidach, Reischach, Arnstorf, Wörth a. d. Isar bei Landshut und Niederaichbach, bedingt wohl auch dadurch, daß viele seiner Auftragsorte in Niederbayern, Regensburg selbst und in der Oberpfalz lagen. Sein Lebensweg endete am 1.5.2000 in Landshut. Hinterlassen hat er uns eine Fülle von Kunstwerken vorwiegend im kirchlichen Bereich.

Während sich Porzky zu Beginn seines Schaffens überwiegend mit der Malerei beschäftigte, vor allem dem Portraitieren, ging er 1948 dazu über, auch mit Stein und Holz zu arbeiten. Trotzdem er Autodidakt auf diesem Gebiet war, schien ihn dies sehr zu begeistern. Es gab kaum ein Material, daß er nicht bearbeitet hätte. Dies brachte ihm den Ruf eines ausgesprochen vielseitigen Künstlers ein, der allerdings keiner bestimmten Richtung zuzuordnen war. Erst im Laufe der Zeit reifte sein persönlicher Stil heran. Diese Entwicklung ist auch in seinen bildhauerischen Arbeiten zu beobachten. Diese standen zunächst unter dem Eindruck der hergebrachten Stilrichtungen. Allerdings wird im Laufe der Zeit die nachhaltige und maßgebliche Beeinflussung der erhabenen und schlichten Größe der Romanik deutlich. Sein bildhauerisches Schaffen ist geprägt von Schlichtheit und klaren Strukturen, unbedeutende Einzelheiten werden unterdrückt, nur Wesentliches hervorgehoben - die figürlichen Darstellungen wirken vereinheitlicht.

Ein Mahnmal gegen das Vergessen, Gedenkstätte in Altötting.

Ein Denkmal des mittlerweile nahezu unbekannten Altöttinger Künstler Kurt Porzky.

von Fr. Dr. Ulrike Scholz, Stadtarchivarin

 

 

Quellen:
Archiv der Stadt Altötting
Fotoarchiv - Foto Strauß, Altötting
Universität der Künste Berlin/Universitätsarchiv

Literatur:
Kurt Porzky – Maler und Bildhauer. Sparkasse in Arnstorf, 16. März bis 8. April 1993. Eine Ausstellung der Sparkasse Rottal-Inn, 1993; Manfred Lerch/Johannes Strauß, Altötting in alten Ansichten Bd. 2, 2003, Nr. 59