Nahaufnahme einer Pflasterstraße

Popengasse

Popengasse

von Manfred Lerch, Stadtheimatpfleger

Von den Altöttingern früher liebevoll „Poppengäßchen“ oder auch „Poppgaßl“ genannt, fehlten diesem Wegstück lange Zeit die Merkmale einer regelrechten Straße. Postalisch galt es nur als verlängerter Seitenzweig der Neuöttinger Straße und endete bereits nach wenigen Metern vor dem querstehenden Sperrriegel des Maderecker-Hauses, dem alten Schmidhuber Gut, das schon im Zuccalliplan von 1678 eingezeichnet ist, als Sackgasse.

Straßenschild Popengasse Altötting

Die Buben vom Bachviertel benützten einen Trampelpfad an der Südseite dieses Hauses als kürzesten Weg zur Knabenschule und kamen dabei zwangsläufig dem Obstgarten mit seinen reifen Zwetschgen und Tiroler Paradeiser-Äpfeln zu nahe, was die verwitwete Hausbesitzerin, die alte „Poppin“, nicht gerade zu Begeisterungsstürmen hinriss. Der so entstandene, ausgetretene Gangsteig hieß im Volksmund „Poppengaßl“ und erhielt sich über Jahrzehnte hinweg, bis sein wahrer Namensursprung in Vergessenheit geriet. Damit waren Spekulationen Tür und Tor geöffnet.

Eine etymologische Erklärung konnte nicht gefunden werden und so machten kuriose Deutungsversuche die Runde. In einer Ratsversammlung stellte der damalige Kulturreferent und Zweite Bürgermeister Dr. Stumfall allen Ernstes fest, der Name leite sich von einem Puppenspieler ab, der vor langer Zeit hier gelebt habe. Andere siebengescheite Zeitgenossen glaubten zu wissen, der Name weise auf den im nahen Administrationsgebäude amtierenden Pfarrer, gewissermaßen einen „Popen“, hin. Vollends zur Verwirrung trug ein Schreibfehler eines Magistratsbeamten im neu angelegten, offiziellen Hausnummern-Register der Marktgemeinde vom Dezember 1867 bei. Laut Stadtratsbeschluß vom 27. September 1961 entstand so die heutige „Popengasse“.

Erst neuere Recherchen in den kirchlichen Matrikelbüchern brachten die Lösung des rätselhaften Straßennamens: Der Schreinermeister Michael Popp (1773 bis 1847), Sohn eines zugewanderten Kornmessers aus dem schwäbischen Aichach und dessen Ehefrau Rosalia, geborene Schrothhamer aus dem oberösterreichischen Uttendorf (1782 bis 1875), welche um 1830/33 das alte Schmidhuber Gut erwarben, waren die wirklichen Namensgeber der heutigen Popengasse.

Als einzige Straße Altöttings fand das sog. „Poppengaßl“ Eingang in die bayerische Literatur. In seiner autobiographischen Anekdote „Aus meinem Leben“ schildert darin der gebürtige Altöttinger Humorist Weiß Ferdl einen Lausbubenstreich mit seinen Freunden.

Erst durch die Verkehrsfreimachung des Kapellplatzes, verbunden mit archäologischen Grabungen und dem Bau der Tiefgarage in den 1980er Jahren, wurde die Popengasse zu einer regulären Straße. Dazu waren nötig: Abbruch des Maderecker-Hauses, Fahrbahnverbreiterung, Absenken des Gefälles, Rückversetzung der Administrations-Gartenmauer, Anlage von Gehsteigen, Einbahnstraßen-Regelung und postalische Umnumerierung.

Die Zeiten des Poppenbergerls als Schlittenberg für die Kinder waren damit vorbei. Noch heute erinnert dort ein unbefestigter Parkplatz an den einstigen Standort des Popp-Anwesens.

Burghausen hat sein Geistwirtgaßl, Neuötting sein Metzgergaßl! Wie wär‘s, wenn Altötting wieder sein Poppgaßl bekäme? Den Heimatpfleger tät’s freu‘n.

 

Quellen:

Matrikelbücher der Stadtpfarrei Altötting

Archiv Alt-Neuöttinger-Anzeiger 2009, Foto Georg Willmerdinger